Die Leser aller renommierten Illustrierten haben es bislang immer sehr geschätzt
Wenn ein engagierter Schriftsteller sich dort mit deutschen Küche kritisch auseinandersetzt
Auch Vertreter, Schauspieler, Abgeordnete, kurz, jeder Faulpelz, der viel reist
Spricht noch lieber als vom Wetter von Kneipen, „Wo man irre gut speist!"
Kennen Sie denn den Franzosen an der Bundesstraße vier
Wo die Schnecken so schön ölig sind und lauwarm wie das Bier?
Und 'nen kleinen Italiener hab' ich in Neu-Ulm entdeckt
Wo die Pizza noch so richtig nett apart nach Pappe schmeckt
Im "Müden Hirsch" in Zwiesel isst man Wild bis Ende Mai
Und wer Glück hat, findet manchmal auch ein Stückchen vom Geweih
In Köln, der Grieche packt auf jeden Gang zwei Schichten Zwiebeln drauf
Hier macht der Wirt zum Nachtisch selbst die Fenster auf
Kenn'n Sie in Bonn das kleine Weinhaus, wo die Prominenten tafeln
Üppig zechen und besorgt von den stabilen Renten schwafeln?
Ja, man muss schon tüchtig spachteln, wenn man schafft von früh bis spät
Und Diäten klingen nur durch Zufall ähnlich wie Diät
Jedes Haus hat sein Spezialgericht, das ist sein größter Jux
"Säuferleber in Aspik" oder auch "Gegrillten Fuchs"
Hübsch garniert mit sauren Trauben wird er im eig'nen Fell serviert
Und am Tisch dann mit Maschinenöl flambiert
Und im Lokal "Zum toten Pferd"
Steht Hubert Hunger hinterm Herd
Und alle finden seine Küche bärenstark
Jeder Schlemmer weiß es doch:
„Hunger ist der beste Koch!"
Doch er selber isst nur Knäckebrot mit Quark
Beim Hors d'oeuvre schon erweist sich meist der feine Mann von Welt
Wenn er lässig zur Languste Knödel und Pommes-Frites bestellt
Ein guter Kellner wittert gleich die Richtung des Geschmacks
Und gibt reichlich Schokoladensauce auf den Räucherlachs
Manche Köstlichkeit erfordert auch die rechte Jahreszeit:
„Blüh'n die Ravioli im August, dann ist der Spargel auch nicht weit!"
Wild genießt man in der Schonzeit, wenn man weiß: „Hier jagt der Chef!"
Und Austern gibt's nur in den Monaten mit 'F'
Fürs Dessert wird schon seit Wochen hier der Käse gut gepflegt
Bis er so streng riecht, dass im ganzen Haus das Fensterglas beschlägt
Es gilt als fein, wenn man von allem etwas übrig lässt
Und je besser die Manieren, desto größer ist der Rest
Nur für Kinder gilt das nicht, weil schon seit je die Sage geht
Dass eine Verfilzung zwischen ihrem Teller und dem Wetter von morgen besteht
Der Löffel geht so lang' zum Mund, bis dieser schließlich bricht
Und dann fällt manchem das Kotelett aus dem Gesicht
Und im Lokal "Zum toten Pferd"
Steht Hubert Hunger hinterm Herd
„Wir haben Hunger!", ruft man „Und mehr woll'n wir nicht!"
Und macht Hubert einmal schlapp
Und gibt seinen Löffel ab
Dann kocht er höh'ren Orts das Jüngste Gericht