Wir steh'n erschüttert hier am Grabe eines Mannes, den wir alle gekannt
Den wir Gatten, Vater, Bruder, Onkel, Neffe oder Herrchen genannt
Geliebt, beweint und unvergessen ist er, und so soll es auch sein
„Nun ruhen seine nimmermüden Hände", steht geprägt auf dem Stein
Man sagt von Toten nichts als Gutes, ja, man tut's aus Pietät, das ist klar
Wir woll'n trotzdem bei alledem nicht überseh'n, was für ein Dussel er war
Er war der Erste, der beim ältesten Ostfriesenwitz in Lachen ausbrach
Er las auch selber welche vor, obwohl er sich beim Lesen dauernd versprach
Er stand nicht an, sich ab und zu auf seine Art für Politik zu engagier'n
In dem Bestreben, allseits wieder nach und nach die Monarchie einzuführ'n
Und grölte er im Suff, aus voller Brust das Lied vom "Treuen Husar"
Dann war auch für den Dümmsten klar zu seh'n, was für ein Dussel er war
Er war verblüfft, als durch Vermittlung seiner Frau ein Sohn in sein Leben trat
Weil er im Grunde auch den Glauben an den Storch nie ganz aufgegeben hat
Doch war der Bengel erst mal da, nahm er entschlossen die Erziehung in die Hand
Worunter er im Wesentlichen das Prinzip des Struwwelpeters verstand
Das heißt: Suppe essen, Finger aus dem Mund und straff gescheiteltes Haar
Es war nicht schwer bei alledem zu überseh'n, was für ein Dussel er war
Er war ein Mensch, der im Lokal stets schön und laut die Speisekarte verliest
Der Bekannte auf der Straße mit: „Das darf doch wohl nicht wahr sein!" begrüßt
Das häusliche Gespräch mit seiner Frau trieb er nie sonderlich weit
Denn sagte er mehr als: „Mahlzeit!", dann bekam er gleich Streit
Doch kam Besuch, dann inszenierte er die Posse vom harmonischen Paar
Es wär' nicht schön, bei alledem zu überseh'n was für ein Dussel er war
Wir steh'n erschüttert hier im Kreise der Familie und sind alle gerührt
Denn das ist das erste große Treffen, wo nicht er allein das große Wort führt
Sonst trank er hastig seinen eisgekühlten Cognac und war davon bald voll
Und dann erzählte er, wie's früher war und wie es endlich wieder werden soll
Doch damit hat's ab heute wohl ein Ende, denn bald deckt ihn das Moos
Es gibt zwar immer noch genug von seiner Sorte, aber den sind wir los!